Mittwoch, 5. November 2014

Nations


Große Nationen haben der Menschheitsgeschichte ein Gesicht verliehen. Die Ägypter gaben ihr Pyramiden, den Römern verdankt sie kulturelle Errungenschaften, den Persern medizinische Fortschritte.
Römer sind wir, Griechen oder Chinesen, für einen drei Spielstunden währenden Wimpernschlag der Geschichte eilen wir von der Antike bis zur Industrialisierung, errichten Bauwerke und Monumente, produzieren Güter, schlagen Schlachten. Unsere Nationen durchleben goldene Zeitalter und Kriege, wetteifern um kulturelle Entwicklung, Reichtum und militärische Stärke.
Nicht Expansion, und Exploration sondern das Weiterentwickeln einer Kultur sind der Kern dieses Spiels. Dabei geht es im Wesentlichen darum, eine gute Balance in allen Bereichen herzustellen. Wächst die Bevölkerung ist das gut, denn sie bringt mehr Arbeitskräfte hervor. Auf der anderen Seite steigt der Bedarf an Nahrung und die Stabilität in der Bevölkerung könnte schwinden. Die nationale Raumforderung ist hoch, wollte man alle gewünschten Projekte verwirklichen. Jede Nation verfügt allerdings nur über wenige Bauplätze für Produktionsgebäude und Wunder. So ist ein gutes Gespür für den besten Zeitpunkt Gebäude, Technologien und andere Errungenschaften durch neue zu ersetzen gefragt. Modernere Produktionsstätten sind zwar kostspieliger, aber auch effektiver, denn sie binden weniger Personal. Das Spiel liefert Engpässe an allen Ecken und Enden: nur ein bis zwei der so wichtigen Berater finden ein Zuhause in der eigenen Nation, eine zu große Armee bedeutet untragbare Unterhaltskosten, mehr als zwei Kolonien kann kaum eine Besatzungsmacht halten. Rohstoffe, Nahrung und Geld sind überlebenswichtig und stets eine Mangelware.
Annähernd dreihundert Karten, prall gefüllt mit bekannten historischen Ereignissen, weltberühmten Bauwerken und wichtigen Persönlichkeiten entführen uns auf eine interessante Entdeckungsreise durch die Geschichte und verleihen dem Spiel Tiefe und Niveau. Wenn auch zugunsten des Ablaufs einige Absurditäten möglich sind: die Schlacht von Waterloo kann beispielsweise von den Chinesen geschlagen, Pyramiden können in Rom errichtet werden.
„Nations“ ist ein fesselndes Zivilisationsspiel, das dank der Möglichkeiten die individuelle Spielstärke einzustellen und verschiedene Schwierigkeitsgrade zu wählen einen gleichbleibend fordernden Spielspaß auch über unzählige Partien liefert.

Für 1-5 Spieler ab 13 Jahren, Verlag: Lautapelit/Asmodée

Russian Railroads

Transsibirische Schienenleger

Die Transsibirische Eisenbahn ist für viele Westeuropäer und Nichteisenbahner mit mehr Rätseln belegt, als andere rekordverdächtige Bauwerke. Wie lang ist sie? Wann wurde sie gebaut? Fahren noch immer Züge auf ihr? Auch die spielerische Umsetzung des Themas, „Russian Railroads“, gibt Rätsel auf: es lässt unzählige Strategien zu, einen Königsweg zum Sieg scheint es dabei nicht zu geben. Und obwohl jeder seine eigenen Schienenwege baut und die eigene Industrie entwickelt, sind andere Spieler unersetzlich für das Spielgefühl; „Russian Railroads“ gaukelt einen Mangel an Interaktion vor, doch kann es sein Gesicht mit jedem neuen Mitspieler völlig ändern und ungeahnte taktische Zwänge bescheren. Schließlich zeigt es an vielen Ecken und Enden sein abstraktes und mechanisches Spieldesign, schafft es aber dennoch uns zu fangen und geradewegs in den kalten Osten, irgendwann am Ende des 19. Jahrhunderts zu befördern. Man hat das Gefühl mit einer Kohleschaufel auf einem schnaufenden Dampfross zu stehen und dieses aufopferungsvoll bis zum Pazifik voranzutreiben.
Wir begeben uns ans Werk ein Mammutprojekt zu verwirklichen, bauen die Transsib und weil wir schon einmal dabei sind obendrein zwei weitere wichtige Eisenbahnstrecken. Nebenher forcieren wir noch die industrielle Entwicklung Mütterchen Russlands, denn die hing ja auch damals schon am Tropf der zaristischen Verkehrspolitik. Neue Lokomotiven sichern uns eine größere Reichweite, das ist gut. Die Loks verlangen modernere Strecken, das ist schlecht. So sprießen immer neue Baustellen wie die Pilze aus dem Boden. Also schielen wir auf eine mögliche Unterstützung; clevere Ingenieure müssen her. Die fallen aber nicht vom Himmel. Das Anwerben kostet Zeit und Geld. Bei all diesen Vorhaben wird schnell klar: wir können uns nicht allem mit gleichem Eifer zuwenden. „Russian Railroads“ verlangt folgerichtig ein geschicktes Händchen beim Optimieren des Verzichtend.


Wer taktische Spiele mag und das ersinnen erfolgreicher Strategien liebt, kommt an „Russian Railroads“ nicht vorbei. Es verspricht ordentlich Langzeitspaß auf der Suche nach den Antworten auf all die Rätsel. Apropos: die mittlerweile sehr moderne und viel befahrene Transsib reicht von Moskau bis ins über 9000 Kilometer entfernte Wladiwostok am Pazifik, wurde von 1891 bis 1916 gebaut und bis zum Jahr 2002 weiter ausgebaut und modernisiert.

Für 2-4 Eisenbahner ab 12 Jahren, Autoren: H. Ohley & L. Orgler, Verlag: Hans im Glück

Yunnan

Abwarten und Tee trinken

Im fernen Osten wurde der leckere Tee der Region Pu‘er einst über die Pferdestraße auf dem Rücken der gleichnamigen Tiere in die fernen Provinzen Chinas, sogar bis ins weit entfernte Indien und nach Tibet gebracht.
Passend zur Jahreszeit steigen wir in den Handel mit dem wärmenden Gebräu ein und satteln unsere Pferde für einige beschwerliche Reisen in die Provinzen. Vor Beginn jeder Handelsreise zwingt uns der Konkurrenzruck zu einer klugen und sorgfältigen Vorbereitung derselben im geschäftigen Pu'er. Wir werben frisch ausgebildete Händler für unser Team an, kaufen ein beim Pferdehändler, legen Grundsteine für neue Gebäude in den Provinzen, beschaffen uns die unerlässlichen Passierscheine oder schlicht das nötige Geld in der Bank. In der anschließenden Reisephase schicken wir unsere Händler in die Provinzen, freuen uns über dortige Gastgeschenke und bauen Handelsposten, zur Erleichterung des Handels, Brücken zur Verkürzung der Wege und Teehäuser, denn die verschaffen Prestige und die Möglichkeit den Provinzkomissar mit einer Tasse exquisitem Pu’er-Tee milde zu stimmen. Und schließlich liefern wir auf unseren Reisen den Tee in die Provinzen und streichen mehr oder weniger saftigen Profit ein.


„Yunnan“ ist ungemein hübsch und wartet mit wertigem Spielmaterial auf. Im Zentrum des Spielplans sorgt eine clever durchdachte Ablaufskala für den guten Überblick. Doch das Spiel ist gemein: ohne Mühe kann es einem Spieler gelingen unvermittelt und uneinholbar auf der Punkteskala zu enteilen. Das Spiel hat uns nicht gewarnt, es  lässt uns allein und versagt die Hilfe. Wie konnte das geschehen? Im Laufe einiger Partien wird vieles klarer: „Yunnan“ spielen heißt taktieren, sich belauern. Es gleicht einem Langstreckenlauf mit atemlosem Geringe um die beste Ausgangslage und den günstigen Moment dem Feld zu enteilen. So lädt es jeden, der das Grübeln und Taktieren liebt zu zahlreichen intensiven und interaktiven Spielerlebnissen ein.

Für 3-5 Teetrinker ab 12 Jahren, Autor: Aaron Haag, Verlag: Argentum

Spyrium

Zurück in die Zukunft

Seit Beginn der Industrialisierung ist der Mensch auf der Suche nach immer neuen Rohstoffen und Rohstoffvorkommen. Produktion, Mobilität, Energieerzeugung, der technische Fortschritt hängt an Ressourcen die wir mehr oder weniger aufwändig der Erde entreißen müssen. Die Reise zurück zu den Anfängen der Industrialisierung führt uns nach England, ins viktorianische Zeitalter. Weit zurück in ein retrofuturistisches Steampunk Universum. Spyrium, ein Mineral mit bemerkenswerten Eigenschaften und schier grenzenloser Energiedichte wurde entdeckt. Als Generaldirektoren großer Konzerne versuchen wir mit dem Handel und der industriellen Verwertung dieser Energiequelle unserer Majestät ein unvergleichliches Wirtschaftsimperium zu errichten.


In der schlanken „Spyrium“ Schachtel im Steampunk-Design stecken reichlich Karten, ein kleiner Spielplan, Holzmaterial, eine handvoll Pfundstücke und richtig schicke grüne Spyriumkristalle. Mit diesem Material werden wir Fabriken, Spyriumminen und Siedlungen für unsere Arbeiter errichten, uns die Dienste von Spezialisten sichern und uns um Wissenschaft und Forschung kümmern um schließlich neue Patente anmelden zu können. Diese Aktionsmöglichkeiten stehen uns allen in einer zentralen Kartenauslage zur Verfügung. In der ersten Phase des Spiels stellen wir unsere Arbeiter zwischen je zwei Karten, einen nach dem anderen, in der anschließenden Spielphase können diese Karten dann entweder gekauft oder deren Wirkungen genutzt werden. Der Clou dabei: jede Arbeiterfigur die sich an einer Karte befindet erhöht ihren Preis. Und da Angebot und Nachfrage immer in beide Richtungen funktioniert, kann jeder der nicht vom Nutzen der Karte profitieren möchte ordentlich an der hohen Nachfrage mitverdienen. Die große Kunst besteht in der richtigen Balance der Aktionen: Geld und Spyrium dürfen nicht ausgehen, ein Arbeiter sollte nicht nutzlos im Nichts stehen weil ein anderer das Gebäude vor seiner Nase weggeschnappt hat und die anderen Spieler dürfen wir auch nicht aus den Augen verlieren. Und schließlich, auch das ist erfrischend neu, muss jeder für sich entscheiden zu welchem Zeitpunkt die erste Phase abgeschlossen ist und die nächste beginnt.
„Spyrium“ bietet einige innovative Elemente und ist bravourös komponiert. Es spielt sich flott und keineswegs beiläufig, denn es fordert viele intelligente Entscheidungen. Unsere Reise wird so zu einer wahrhaft königlichen Unterhaltung.

Für 2-5 Wirtschaftsbosse ab 13 Jahren, Autor: William Attia, Verlag: ystari games / Asmodee